Das Logo des Sickingen-Gymnasiums. Dunkelblaues Quadrat mit weißem Schriftzug des Schulnamens in der linken oberen Ecke. Silhouette der Burg Nanstein im Anschnitt unten rechts.

Plädoyer zur Bedeutung des kulturellen Lernens

von Mara Blanz im Leistungskurs Deutsch, MSS 12 — 22.05.2018

Ein einziger Post.
Es sollte ein einziger Post sein, bestehend aus drei parataktisch aneinandergereihten Sätzen, der eine Debatte auslöste, die Bildungswissenschaftler, Minister und zuletzt auch Schüler bis heute bewegt. Eine Debatte, deren Resonanz zeigt, dass sie womöglich längst fällig war. Wenn es um Bildung geht, betrifft das Thema irgendwie immer jeden, ein jeder fühlt sich angesprochen und möchte mitreden. Kein Wunder, wo Schule auch im Leben eines jeden Menschen irgendwo schon immer eine Rolle gespielt hat. Es sind Geschichten von dubiosen Lehrgestalten, von nervigen Mitschülern; immer gibt es den Klassenclown, den Streber und den Mädchenschwarm. Und fast immer auch die unendlichen Beschwerden über Mathe, Physik oder das typische Augenrollen, wenn das Stichwort „Goethes Faust“ nur ansatzweise fällt. Auch Naina dachte sich wohl nicht viel dabei, als sie im Januar vor drei Jahren ihr Handy zückte, um auf Twitter, jenem Portal, das von kurzen und prägnanten Statements lebt, ihren Frust über unser Schulsystem abzulassen. Sie sei fast achtzehn und habe „keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen“. Was sie aber wohl könne, das sei das Verfassen einer Gedichtanalyse, und zwar auf vier verschiedenen Sprachen. Was zunächst nur Freunde und Bekannte sahen, sollte sich kurze Zeit darauf so derartig viral verbreiten, dass diese Worte einer Jugendlichen, der das System der Schulbildung einfach mal ziemlich auf die Nerven ging, an vielerlei Stelle Anlass darstellte, um sich wirklich einmal zu fragen, was Kinder und junge Erwachsene heutzutage noch in der Schule lernen. Auch werfen Nainas Worte die Frage auf, welche Erwartungen wir an ein Bildungssystem haben, welches ein Schüler mit gymnasialer Ausbildung zwölf, in manchen Bundesländern sogar noch dreizehn Jahre durchschreitet - wie gravierend womöglich die Schwächen eines solchen Systems sind, das wir vielleicht zu oft so hinnehmen, wie es nun einmal ist - zu selten dagegen hinterfragen. Es sind immer die gleichen Stimmen, die im Laufe solcher Debatten laut werden. Es sind die altbekannten, typischen Pragmatiker, die all jene Erinnerungen an Goethes „Faust“ am liebsten mit der eigenen Faust zertrümmern möchten, für die Anapäst immer noch nach einer hochinfektiösen Krankheit klingt und die bei dem stilistischen Mittel der Inversion die nahende Ankunft der Außerirdischen erwarten. Keineswegs möchte ich diese Gruppe all jener ehemaliger Schüler oder sogar noch aktiv Strebenden an dieser Stelle diskriminieren, im Gegenteil: Recht haben Sie. Recht haben sie, zu sagen, dass Schule im weitesten Sinne ein alltagsferner Ort geworden ist, gerade, wenn es um das Abitur geht. Was bringt es für einen Nutzen, zu analysieren, inwiefern der alte Sack Faust das naive Gretchen tatsächlich in die Schuld führen wollte oder nicht? Was bringt es, im Kunstunterricht Werke Da Vincis zu analysieren, die aus längst vergangenen Zeiten stammen, in denen eine Mentalität herrschte, die in keiner Weise mehr mit dem heutigen Zeitgeist zu vergleichen ist? Wieso muss man sich im Religions- oder Philosophieunterricht durch Texte von Kant und Marx quälen, deren Sätze weder Punkt noch Prädikat enthalten und die man erst nach unzähligem Lesen versteht. Und dann auch nur ansatzweise. Nach dem Abitur endet für jeden von uns die Phase der Behutsamkeit, es geht für uns „raus in die weite Welt“, wie man so schön sagt, aber ebendiese Welt, das ist plötzlich ein Ort, in dem wir uns erst einmal zurechtfinden müssen. Plötzlich stehen wir alleine da, plötzlich müssen wir nach einer Wohnung suchen, müssen uns auf Bewerbungsgespräche vorbereiten, müssen kochen, waschen, Rechnungen bezahlen - ja, der pragmatisch ausgelegte Leser könnte diese Liste nun noch unendlich lang weiterführen. De facto müssen wir uns nun vielen Herausforderungen stellen, die uns jedoch nur deshalb eine so große Angst bereiten, weil wir uns im Normalfall noch nie zuvor mit ihnen beschäftigen mussten. Weil uns die Schule zwar auf Vieles vorbereitet hat, aber der Ernst des Lebens nun plötzlich nicht mehr nur aus Klausuren und Tests, sondern aus viel mehr besteht. Alles also umsonst. All die Jahre in der Schule, all die nervenaufreibenden Prüfungen, die Erleichterung, als es dann endlich vorbei war; all das also umsonst? Da unser auf kulturelles Lernen ausgerichtetes gymnasiales Schulsystem uns zwar mit Fausts Identitätskrisen quälte, aber die wahren Bürden des Alltages, des Lebens, außer Acht ließ? Natürlich kann man dies zugespitzt an dieser Stelle festhalten. Ja, denkt man an dieser Stelle rein utilitaristisch, rein zweckrationalistisch, rein pragmatisch, dann hat unser Bildungssystem Lücken, dies lässt sich kaum bestreiten. Doch ginge es nicht etwas zu weit zu sagen, dass unser Schulsystem versagt, nur weil eine Schulabgängerin wie Naina nicht per se weiß, wie sie eine Steuererklärung ausfüllt? Vielleicht liegt es ja gar nicht im Interesse der Schulbildung, einen Lerneffekt zu erzielen, der unmittelbar nach dem Erlernen evident ist. Vielmehr geht es womöglich darum, Kompetenzen zu entwickeln, die uns ganz unbewusst prägen und uns zu Fähigkeiten verhelfen, die uns auszeichnen, jedoch von uns als so selbstverständlich angesehen werden, dass wir sie als solche gar nicht mehr wahrnehmen. Nehme man das Beispiel von Goethes Faust zur Hand, ein Klassiker - nicht nur, wenn es um den literarischen Rang geht, sondern im Allgemeinen als Werk, das den Unmut über klassische Literatur als Paradebeispiel einstecken muss. Ich bin sicher, kein Literaturwissenschaftler, kein Lehrer und auch kein von Faust begeisterter Schüler würde behaupten, dass Goethes Werk einfach zugänglich ist; dass die Sprache ohne weiteres gelesen werden kann oder die enthaltene Symbolik offenkundig ist. Goethes Lebenswerk lebt vielmehr von seiner Komplexität und ist mit Sicherheit kein Buch, das man als Urlaubslektüre neben dem neusten Roman von Jojo Moyes im Gepäck hat. Die Sprache in immer wechselnden Versreimen und Metren ist zunächst schwierig, Szenen teilweise paradox und letztlich die Thematik eines Mannes in Mid-Life Crisis, der sich auf den Teufel einlässt und ein blutjunges Mädchen verführt, nicht als solches greifbar. Zurecht stellt man sich die Frage, was Fausts Zerrissenheit mit der eigenen Person zu tun hat. Doch vielleicht fehlt dem Leser an dieser Stelle auch einfach die Ehrlichkeit zu sich selbst. Natürlich mag das Dilemma zweier Seelen, wo die eine nach Entgrenzung, die andere nach materiellem Triebe strebt, nicht auf einen jeden Leser zutreffen. Jedoch kann alleine das persönliche Ringen mit schlechten Angewohnheiten mit der vorhandenen Thematik übereinstimmen oder etwa die Frage nach der eigenen Identitätssuche, die manche Menschen zeitlebens beschäftigt. Ich behaupte, in all jenen Werken, die zur Weltliteratur zählen, steckt im Kern auch immer eine Botschaft, die so vielfältig auslegbar ist, dass jeder von uns sie für das eigene Leben fruchtbar machen kann. Denn ist es nicht gerade ein Merkmal guter Kunst, dass sie einen zeitlosen Charakter hat und unendlich reich an Interpretationsspielraum ist? Selbst, wenn der Pragmatiker an dieser Stelle immer noch die Nase rümpft und Faust jeglichen Mehrwert abspricht - so heißt die Abneigung Goethes gegenüber zudem lange nicht, dass ein anderes Werk, ein anderer Autor, nicht vielleicht umso mehr überzeugt. Womöglich weckt gerade das Lesen Fausts und die folgende Abneigung jene Kompetenz, die den Schüler beim Lesen von Kafkas „Verwandlung“ sagen lässt, dass dieses Werk für ihn nun wirklich zur Weltliteratur zähle. Kunst nämlich ist auch immer mit Geschmack verbunden. Ich wage es, hierbei sogar zu behaupten, unser Anspruch an Schule, Wissen zu verbreiten, dessen Nutzen unmittelbar einsetzt und das sofort fruchtbar gemacht werden kann, ist ein Defizit unserer Gesellschaft. Wir sind es nicht mehr gewohnt, für unsere Hausaufgaben Stunden in der Bibliothek zu verbringen, um dann nach Nachmittagen des Suchens endlich gutes und für unsere Ausführungen brauchbares Material zu erhalten. Nein, wir leben in einer Zeit, in der wir wenige Mausklicks von dem entfernt sind, was wir suchen. Geht es um Informationen, so soll sich ihr Nutzen nicht erst nach einiger Zeit und langem Nachdenken einstellen, sondern am liebsten sofort. Goethes Faust wird zunichte gemacht, da man sich erst einmal in ihn hineinlesen muss, Textstellen analysieren muss, das Werk als Ganzes verstehen muss, um seinen Kern ausmachen zu können. Um die wahre Philosophie dahinter zu entdecken, bedarf es an Geduld und Neugier, manchmal auch der Kompetenz, nach kleinen Niederlagen oder Denkfehlern weiterzusuchen, bis man das Gefühl hat, die wahre Bedeutung der Szene ausmachen zu können. Es reicht nicht, sich an der Oberfläche zu bewegen, nein. Es erfordert stattdessen eine kleine Reise, in das Buch hinein und letztlich auch zu sich selbst, vor der man sich nicht fürchten sollte, sondern der man wissbegierig begegnen darf. Aber wir sind es nicht mehr gewohnt, so viel Zeit zu beanspruchen, um einen kleinen Sinneswandel, um Inspiration zu erfahren - warum auch? Gehen wir auf unsere Social Media Kanäle, so gibt es hunderte, tausende, millionenfache Seiten, die tagtäglich inspirierende Weisheiten posten, von denen wir genau so gut Inspiration erhalten, ohne ein ganzes, derartig komplexes Werk lesen zu müssen. Aber ist der Mehrwert letztlich wirklich derselbe? Kann ein einzelner Aphorismus dasselbe wie die Erfahrung, ein Werk in seiner ganzen Fülle durchdrungen zu haben? Ich behaupte: Nein. Und auch behaupte ich, dass wir die Tatsache, dass Faust auf den Lehrplänen steht, als Chance sehen sollten. Schließlich würden die Wenigsten privat zu solch einer Literaturgattung greifen und selbst wenn sie es täten, kein so tief gehendes Analysespektrum erhalten, wie die Schule es bietet. Eben diese Analyseansätze begegnen uns dabei nicht nur temporär. Vielmehr prägen sie uns insgeheim in solch einer Art und Weise, dass wir sie beim Lesen eines nächsten Werkes ganz automatisch anwenden. Ein Zitat vielleicht zweimal lesen und seine offensichtliche Bedeutung überdenken. Die in der Schule angewandten Techniken helfen letztlich sogar, im alltäglichen Leben genauer hinzusehen. Wo ein Zitat Mephistos zwei ganz unterschiedliche Deutungsperspektiven enthält, ist womöglich auch der Satz meiner Freundin, den sie eben von sich gegeben hat, viel freier in seiner Deutungsvielfalt, als ich es zunächst dachte. Die eigene Einstellung zu einem gewissen Thema muss nicht zwangsweise so sein, wie sie mir zunächst begegnet, sie ist veränderlich und modifizierbar. Wie ein Werk in jeder Epoche andere Interpretationen erfahren hat, so blickt man womöglich aus heutiger Sicht auf Ereignisse der Vergangenheit zurück, die nun einen vollkommen anderen Charakter inne haben. Es ist einfach zu sagen, dass kulturelles Lernen keine Nützlichkeit für den eigenen Alltag berge, aber ich behaupte, dies ist nichts als eine faule Ausrede, um sich lediglich an der Oberfläche zu bewegen und an dieser zu verweilen, ohne sich für Denkmuster zu öffnen, die uns von tagtäglichem Nutzen sein können. Auch sollte der Pragmatiker an dieser Stelle, sofern er den Nutzen kulterellen Lernens immer noch vehement negiert, überdenken, welchen Anspruch er nicht nur an die Institution der Schule, sondern vielmehr auch an sich selbst hat. Ist es denn von einem jungen Erwachsenen nicht zu erwarten, dass er sich eigenständig um etwas bemüht, von dem er sich mehr Kenntnis erhofft? Muss die Schule all jenes vorgeben, was zum Lebensinhalt gehört? Ein Schüler geht schließlich auch außerhalb der Schule Interessen nach, die im Unterricht nicht behandelt werden und kein Gegenstand einer Auseinandersetzung sind. Kauft man sich beispielsweise ein neues Smartphone und muss seine Funktionalität erst einmal verstehen, so nimmt man sich die Gebrauchsanleitung zur Hand und liest sich solange in die Bedienung des Gerätes ein, bis man das Problem gelöst hat. An dieser Stelle wird wohl keiner die Schule für ihre mangelhaft alltagsnahe Blildungspraxis anklagen und ihr vorwerfen, sie unterrichte das Falsche und müsse unbedingt in einem eigenen Fach thematisieren, wie man das neuste iPhone bedient. Das Argument, eine Steuererklärung betreffe dabei mehr Menschen als die Auseinandersetzung mit einem neuen Smartphone, gilt dabei kaum, wo niemand einwenden kann, dass letzteres nicht mindestens genau so verbreitet ist wie die Hindernisse beim Kauf eines neuen Gerätes. Ebenso zeigen Studien, dass die kulturelle Förderung in eigenen Interessensgebieten der Schüler immer noch in Vereinen außerhalb der Schule bevorzugt wird, nicht aber in schuleigenen AGs, was die eigene Interessenverfolgung der Schüler im rein außerschulischen Bereich bestätigt. Wo also setzen wir unsere Grenzen, wenn es um die Verantwortung der Schule geht? Sind wir nicht gerade im Falle von alltäglichen Bürden, wie dem Bezahlen von Mieten, in der Lage, uns relativ schnell selbst mit der Materie vertraut zu machen und dem scheinbaren Hindernis seinen unüberwindbaren Charakter abzuerkennen? Vielleicht ist es dabei eben eine Angewohnheit der Gemütlichkeit, die wir ablegen und durch ein größeres Maß an Eigeninitiative ersetzen müssen. Hat man den Schulabschluss, so sollte Fremdbestimmtheit stets der Selbstbestimmung weichen und uns zeigen, dass wir all das, was wir im Leben erreichen wollen, selbst anpacken müssen, wenn es auch nur darum geht, eine Wohnung zu suchen oder eine Steuererklärung auszufüllen. Dass wir auch ohne spezifisch schulische Bildung in der Lage sein werden, all diese Dinge zu tun, sollte dabei hoffentlich niemand abstreiten. Wer sich an dieser Stelle immer noch gegen das kulturelle Lernen sträubt, für wen Ausbildung immer ein unmittelbar und direkt greifbares Know-How bedeutet, der mag auch nicht nachvollziehen können, dass das Auseinandersetzen mit Kultur an vielen Stellen auch schlichtweg Freude bereiten kann, gerade wenn es sich um eine Thematik, eine Strömung oder ein Werk handelt, das in der Geschichte unserer Kultur herausragend ist. Behandelt man das Bearbeiten einer Steuererklärung, so behaupte ich, dass es bei den wenigsten für ein Gefühl der Euphorie sorgen wird, das das eigene Leben prägt. Anders kann es bei zeitloser Kunst sein, bei Weltliteratur, beim Betrachten eines Werkes, beim Hören einer weltbekannten Melodie. Wie faszinierend ist es, in Kunst, die ein großer Teil der Menschheit kennt, ein Stück von sich selbst ausmachen zu können? Die Erfahrung der Gegenwart wird gesteigert; es kann eine Erlösung sein, innerhalb des Werkes einen für sich selbst fruchtbaren Ansatz zu finden, der eingefahrene Abläufe des eigenen Lebens ausbricht. Es ist die Magie, die eine Leseerfahrung ausmacht, wenn man sie schätzt und so mit anderen teilt. Ein Gefühl für solche Erkenntnis aber entstehe nach dem Journalisten Ulrich Greiner eben erst, wenn Schüler auch nach und nach die „Schönheit“ solcher Kunst erfahren. Um ein Stück von sich selbst in einem Werk der Weltliteratur zu finden, müsse man einen Zugang zu ihm erhalten, dem „Schönen“ begegnen, wobei es danach mit anderen geteilt werden kann. Die Schule biete dabei gerade jenen so zentralen Ort, der uns diejenige brauchbare Kenntnis vermittelt, von der wir letztlich nur selbst profitieren und durch welche wir uns als Teil von etwas ganz Großem erkennen. Das interkulturelle Lernen innerhalb der Räume der Schule bietet uns so Grundlagen, um unser Leben lang den Charakter von guter Kunst, von Ästhetischem, ausmachen zu können. Das kulturelle Lernen bietet uns die Möglichkeit, aktiv an den verschiedenen Zeitgeistern der Kunst teilhaben zu können. Bei mir persönlich setzte die Faszination Fausts spätestens dann ein, als ich durch das Werk, alleine in einem kleinen Café sitzend, plötzlich von einem Mädchen meines Alters auf meinen Goethe angesprochen wurde. Sie selbst, mehrere hunderte Kilometer entfernt aus Hessen, hatte das Buch gerade auch durchgenommen, und was zunächst nur einen Austausch über Goethe darstellte, wurde bald zu einer Freundschaft, die bis heute anhält. Auch der Bruder meiner neuen Bekannten traf damals auf uns und musste lachen, als er Faust sah. Unglaublich schlecht sei er immer in Deutsch gewesen, habe die meisten Werke verabscheut, aber Faust habe ihn damals immens inspiriert und ihm so viel Gegenwärtiges aufgezeigt, von dem er noch heute profitiert und an das er noch immer zurückdenke. Eine Begegnung, die davon zeugt, dass kulturelle Bildung uns prägt, uns fähig macht, zu urteilen und unser Erfahren des „Schönen“, um es mit Greiners Worten auf den Punkt zu bringen, zu teilen. Vielleicht sollten wir unseren Begriff von Bildung also an dieser Stelle weiten. Sollten unsere Vorstellung von reinem Zweckrationalismus ablegen und einsehen, dass manches Bildungsgut seinen Nutzen unmittelbar entfacht und teilweise sogar so, dass wir es gar nicht wahrnehmen. Wir sollten uns klarmachen, dass wir als mündige Wesen nicht notwendig auf eine immer währende Hilfestellung angewiesen sind und ein gewisses Maß an Eigeninitiative von großer Bedeutung ist. Schließlich sollten wir sogar so weit gehen, dass wir nicht immer nach dem Nutzen in allem, was wir tun, suchen, sondern manches Erleben einfach als solches genießen, indem wir uns für die Erfahrung öffnen. Wir sollten es genießen, einen Zugang zu weltbekannten und weltbewegenden Werken zu haben, die Menschen seit Jahrhunderten bewegen und bis einschließlich heute verbindet. Ein weltbekanntes Zitat des antiken Philosophen Senecas besagt, man lerne nicht für das Leben, sondern für die Schule. Das Paradoxon dieses Satzes löst sich dabei schnell auf - wo die kulturelle Bildung innerhalb der Schule nämlich letztlich auf das gesamte Leben übertragbar gemacht werden kann und Schülerinnen und Schüler auch über die Schulzeit hinaus noch prägt, verlieren diese Worte auch in heutigen Zeiten nicht an Gültigkeit.